Kay Wolfinger Jenseits der Sprache: der Text. Nachruf auf Wolfgang
Herrndorf Am Mittag des 27. August 2013 erreicht mich eine SMS, dass Wolfgang Herrndorf verstorben sei infolge seiner schweren Tumorerkrankung. Die Meldung wird bereits über die Medien verbreitet,
aWolfinger_Herrndorfuf Bayern 2 durchgegeben. Die Internetseite des Schriftstellers ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zu erreichen: „The server is temporarily unable to service your request due to maintenance downtime or capacity problems.” Seine Autorenkollegin, Weggefährtin, Vertraute Kathrin Passig twitterte um 4:55 AM - 27 Aug 13: „Wolfgang Herrndorf starb nicht am Krebs. Er hat sich gestern in den späten Abendstunden am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.“ Nach dieser Meldung herrscht erst einmal Sprachlosigkeit und Stille. Natürlich bedeutet es etwas, wenn sich ein Schriftsteller in Berlin an einem Ufer erschießt. Aber vielleicht ist dies viel zu sehr in den Bahnen der Kulturgeschichte gedacht, wo es doch zuerst ein menschliches Schicksal ist. Aber hätte Herrndorf, den ich nicht persönlich kannte, gewollt, dass man es so sieht? Oder wusste er nicht, wie sehr all das, was er als Autor von sich gibt, sagt, solange er noch kann, schreibt, solange er noch die Kraft hat, im medialisierenden Effekt der Literatur, in der Autoreninszenierung aufgeht, dass jede seiner Zeilen, möge sie noch so sehr der Krankheit und dem Schmerz entrungen sein, zum Teil einer textuellen Strategie wird? Die Feuilletonmaschine läuft und bringt schon am Dienstag erste Nachrufe, nachdem Herrndorfs Tod vom Vorabend verbreitet worden ist, Feuilletonberichte, die kleine Überblicke über sein Werk liefern, noch einmal dies und das kommentieren, auf den Überraschungserfolg seines (Jugend-?) Buches Tschick (24.3.2010 16:39: „Der Jugendroman, den ich vor sechs Jahren auf Halde schrieb und an dem ich jetzt arbeite, ist voll mit Gedanken über den Tod.“) und auf den Agententhriller Sand eingehen, für den er den Preis der Leipziger Buchmesse bekam und nicht mehr selbst entgegennehmen konnte. Worüber sollte man auch sonst schreiben? Da auf seiner Internetseite auch am anderen
Morgen (28. August) nur für einen Augenblick die Startseite zu erreichen ist – „Schluss / Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen“ –,ist auch das Blogtagebuch einige Stunden nicht abrufbar, das Herrndorf seit seiner Krebsdiagnose 2010 geführt hat und das mittlerweile zu beeindruckender Textmasse und inhaltlicher Größe angewachsen war. Es soll als Buch veröffentlicht werden, ganz in der Tradition der Internettagebücher von Rainald Goetz (Abfall für alle), von Else Buschheuer (www.else-buschheuer.de etc.) oder dem Großprojekt Januar bis Dezember Helmut Kraussers (Herrndorf: 13.3.2010 16:15: „Entweder bin ich immer noch vollkommen größenwahnsinnig und dies wird ein Helmut-Krausser-Journal (sagt Bescheid, nebenan gibt’s noch Zyprexa) oder -“). Etwa seit Ende des Jahres 2010, seit es sich abzeichnete, dass sein in so klarer Sprache verfasster Jugendroadtrip Tschick (den üblichen Salinger-Vergleich
Publikumserfolg werden würde, habe ich sein Internettagebuch gelesen und dessen Seiten diskontinuierlich gespeichert. Belustigt hatte mich Herrndorfs Romandebüttitel In Plüschgewittern, eine ironisierte Jünger-Anspielung. Beginnen wir also nach Wolfgang Herrndorfs Tod, aber nicht allein deswegen, seine Texte noch einmal zu lesen oder zum ersten Mal, sie zu entdecken und wiederzuentdecken, u. a. seinen Debütroman, seine Geschichten-Sammlung Diesseits des Van-Allen-Gürtels mit dem Text, für den er den Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb 2004 gewann, und natürlich Tschick und Sand. Wenn sein Blogtagebuch Arbeit und Struktur bearbeitet und ediert sein wird, wird man sehen können, um welch eindrucksvolles Diarienwerk eines Autors es sich handelt, ein Dokument über die Krankheit und den Tod, natürlich über den Nihilismus (siehe: 16.7.2013), über das Schreiben und das Lesen, mit ungeheuer aufschlussreichen Passagen zu seinem Werk, zu seinem Verfahren und mit einer Fundgrube an Texten und Werken, die Herrndorf etwas bedeutet haben, zu denen er aufblickte, die er ablehnte. Wie jedes Schriftstellertagebuch ist es erhaben und banal, lustig, voller Lebensfreude, voller Traurigkeit, voller unfairer Einschätzungen. Lest es, deutet es, wenn es wieder greifbar sein wird, achtet auf die Frequenzen der Einträge und auf die Art und Weise, wie Herrndorf eine Hintergrundfolie zu seinen
Romanen konstruiert, das Tagebuch zum Medium seiner Inszenierung macht durch Schriftstücken und Fotos, die er abbildet. Hat er sein Tagebuchblog tatsächlich als solches literarisierendes Ausdrucksmedium betrachtet? Hat er die Lebensmomente nahe am Wahnsinn, die uns mehrmals verschriftlicht präsentiert werden, so erlebt? Hat er seine Krankheit gar gewissermaßen bezwungen, indem er sie rücksichtslos in Literatur überführte? Kann es wahr sein, dass das Blog nur für Freunde bestimmt war und sich schließlich zu einem festen Teil seines Schaffens entwickelt hat? Was wenn er dies anders gesehen hätte?
Den ganzen Tag lang über nichts anderes als darüber nachgedacht, das Blog einzustellen […].
Wenn ich noch eine Chance sähe, Isa [das aktuelle Projekt; KW] fertigzustellen, wäre hier Schluß, Beschränkung auf das Notwendigste, Rückkehr zur ursprünglichen Mitteilungsveranstaltung für Freunde und Bekannte in Echtzeit. Dafür war das gedacht. Aber funktioniert hat es nie. Statt alle Fragen zu beantworten und Zeit zu sparen, kostet es mir welche.
Ist auf seinem PC-Desktop tatsächlich ein Ordner „Unbesehen lö-schen“ (11.5.2010 00:55) vorhanden, und müssen nun Freunde dem nachkommen? Eines seiner letzten Gedichte oder die wunderbare Begegnung mit der toten Libelle vom 23.7.2013, die nun wie vieles wohl im Nach-klang seines Todes gelesen werden, ist trotzdem eine eindrucksvolle Selbstermächtigungsgeste:
Niemand kommt an mich heran bis an die Stunde meines Todes. Und auch dann wird niemand kommen. Nichts wird kommen, und es ist in meiner Hand.
2010 in der „Rückblende 8“ schrieb Wolfgang Herrndorf über ein literarisches
portugiesischen Dichter Fernando Pessoa erwähnte, den Herrndorf nicht gelesen habe, dessen Namensnennung jedoch bei der seinem Gefühl ablaufenden Zeit eine Panikattacke hervorruft. Das 43. Kapitel mit dem Titel Sirenen seines Romans Sand trägt zur Vorrede folgendes Zitat: „Menschenbilder, so was Grausliches. Also der Mensch interessiert mich nicht, wenn ich das so hart sagen darf. Luhmann“ Es stammt aus des Soziologen Niklas Luhmanns Vorletzten Gesprächen. Aber auch in Pessoas Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares finden sich viele Textstellen, die in diese Richtung weisen: „Der Mensch sollte sein eigenes Gesicht nicht sehen können. Nichts ist schlimmer.“ (Nr. 466) Auch Wolfgang Herrndorf lebte am Ende seines Lebens in existentieller Zurückgezogenheit. „Keine Anfragen, keine Interviews, keine Lesungen, keine Ausnahmen“, steht in der Einleitung von Arbeit und Struktur. In der letzten Zeit gab es immer wieder literaturwissenschaftliche Vorträge zum Werk Herrndorfs, so auch das Bemühen, einen Forschungsband herauszugeben. Deshalb noch einmal: Lesen wir seine Bücher, und entdecken wir seinen ungeheuerlichen Mut zum Erzählen.
ORAL PRESENTATION 4A MEDICAL STUDENT PRIZE O117 EXPRESSION OF HEPATOCYTE GROWTH FACTOR-LIKE/MACROPHAGE STIMULATING PROTEIN IN HUMAN WOUND TISSUE AND ITS BIOLOGICAL FUNCTIONALITY IN HUMAN KERATINOCYTES JCD Glasbey, AJ Sanders, F Ruge, KG Harding, WG Jiang Metastasis & Angiogenesis Research Group, Institute of Cancer and Genetics, Cardiff University School of Medicine, Heath Park, C
Elianne Riska Education: M.A., 1969: Political Science, University of Helsinki, Finland Postgraduate studies, Department of Sociology, University of Copenhagen, Denmark, 1969- 1971. Ph.D. in Sociology, 1974, State University of New York at Stony Brook (Stony Brook University), New York, USA. Occupational history Assistant and Associate Professor, Department of Sociology and College