Zur differentiellen wirksamkeit von psychosozialen behandlungsmassnahmen bei alkoholabhngigen:

Zur differentiellen Wirksamkeit von psychosozialen Behandlungsmassnahmen
bei Alkoholabhängigen:
Ein methodenkritischer Vergleich von systematischen Literaturübersichten und
Metaanalysen

Heinz-Martin SÜß* * Professor, Dr. phil. habil. Dipl.-Psych. Dipl.-Inform., Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Diese Arbeit ist Meinrad Perrez zum 60. Geburtstag gewidmet. Sie wurde unterstützt durch das MPS-Network. Zusammenfassung Die Wirksamkeit von Alkoholismustherapie war Gegenstand einer Reihe von Übersichtsarbeiten und Metaanalysen in den letzten zehn Jahren. Dieser Beitrag vergleicht die Ergebnisse und methodischen Vorgehensweisen dieser Arbeiten. Berichtet werden Ergebnisse zur (a) generellen und (b) differentiellen Wirksamkeit sowie (c) zur differentiellen Indikation. Die Unterschiede zwischen den Metaanalysen betreffen den Umfang der Literatursuche sowie die methodischen und klinischen Ein- und Ausschlusskriterien. Einige Arbeiten berücksichtigten nur kontrollierte Studien, während andere auch Studien ohne Kontrollgruppen einbezogen. Die kontrollierten Studien kamen fast alle aus dem angloamerikanischen Sprachraum, keine aus den deutschsprachigen Ländern. Die Behandlungsprogramme, die in den kontrollierten Studien angewandt wurden, unterschieden sich substantiell hinsichtlich Therapiedauer und Intensität von den Behandlungsmassnahmen, die in Deutschland durchgeführt werden. Zudem wurden in viele Studien nicht nur Patienten mit Abhängigkeitsdiagnose einbezogen, sondern auch Patienten mit der Diagnose Missbrauch und nicht-klinische Stichproben. Daher können diese Ergebnisse nicht auf Deutschland generalisiert werden. Umgekehrt ist zu beachten, dass nicht kontrollierte Studien die Wirksamkeit der Behandlungsmassnahmen überschätzen. Zusammenfassend lassen sich folgende tentative Schlussfolgerungen ableiten: (1) Personen ohne ausgeprägte Abhängigkeitssymptomatik und mit wenig psychosozialen Problemen können durch wenige und wenig intensive (ambulante) Sitzungen genauso erfolgreich behandelt werden, wie durch umfangreiche und intensive (stationäre) Behandlungsmassnahmen. (2) Strukturierte Treatments mit klarer Zielsetzung, insbesondere verhaltenstheoretisch fundierte Interventionen (Skill Trainings, Fallmanagement) erzielen bessere Ergebnisse als wenig strukturierte (Standardmassnahmen). (3) Intensive und gut strukturierte Therapie (Zahl der Treatmentkomponenten, Dauer, stationäre Behandlung) führt zu besseren Ergebnissen bei Patienten mit schwerer Abhängigkeitssymptomatik, psychiatrischer Komorbidität und vielen psychosozialen Problemen als wenig intensive. (4) Die supervidierte Gabe von Naltrexone/Nalfeme verbessert die Wirkung von verhaltenstherapeutischen Massnahmen. Die Wirksamkeit von Alkoholismustherapie war Gegenstand einer Reihe von Literaturübersichten
und quantitativen Metaanalysen in den vergangenen Jahren (Berglund, Thelander, Salaspuro, Franck,
Andréasson & Öjehagen, 2003; Grawe, Donati & Bernauer, 1994; Miller & Wilbourne, 2002;
Monahan & Finney, 1996; Süß, 1995). Alle hatten zum Ziel, den Stand der Forschung zu bewerten
und Empfehlungen für die klinische Praxis daraus abzuleiten. Die angewandten Methoden waren
sehr unterschiedlich. Dies betrifft die Literatursuche ebenso wie die Ein- und Ausschlusskriterien
und die Auswertungskonzepte. In diesem Beitrag werden die Methoden und Ergebnisse dieser
Arbeiten vergleichend dargestellt und diskutiert. Diese Arbeit hat also nicht zum Ziel, die
Literaturübersicht von Süß (1995) zu aktualisieren. Neue Primärstudien, die in keine der genannten
Übersichten eingegangen sind, bleiben daher unberücksichtigt. Einzelne Arbeiten herauszugreifen,
widerspräche der Methodik der Metaanalyse, die eine systematische Literaturrecherche und die
Offenlegung von Auswertungskonzeption und Bewertungskriterien verlangt, so dass die
Schlussfolgerungen überprüft werden können (Cooper & Hedges, 1994). Eine Ausnahme gibt es
dennoch. So wird im Schlussabschnitt das Projekt MATCH dargestellt, die grösste und
ambitionierteste Untersuchung, die bislang zur Wirksamkeit von Alkoholismustherapie durchgeführt
wurde und zu der unter dem Namen Projekt MATCH, bereits zahlreiche Einzelpublikationen
vorliegen (Project MATCH research group, 1997a, 1997b, 1998a, 1998b). Eine ausführliche
Zusammenfassung der Ergebnisse und kritische Diskussion findet sich bei Watzl (2001). In der
folgenden Übersicht werden die Arbeiten nacheinander einzeln und mit gleicher Gliederung
dargestellt, danach werden die Befunde methodenkritisch verglichen und integriert. Eine
vergleichende Übersicht von vier Arbeiten findet sich in Tabelle 1.

Metaanalyse von Süß (1995)
Ziel dieser Metaanalyse war es, deutsch- und englischsprachige Studien zur Wirksamkeit
psychologischer Therapien bei Alkoholabhängigen zu vergleichen und zu integrieren. Da keine
deutschsprachigen experimentellen Arbeiten vorlagen, wurden auch prospektive, nicht kontrollierte
Studien berücksichtigt. So konnte der Einfluss von Kontextvariablen wie Behandlungssetting, -
intensität und -dauer auf den Behandlungserfolg und damit die Generalisierbarkeit der Ergebnisse
geprüft werden. Im Vordergrund stand die Wirksamkeit von Behandlungsmassnahmen bei
Alkoholabhängigen. Studien ohne explizite Diagnose «Alkoholabhängigkeit» als
Einschlusskriterium wurden ebenso ausgeschlossen wie Behandlungsprogramme, die kontrolliertes
Trinken und nicht dauerhafte Abstinenz als Therapieziel vorsahen.

Methoden

Aufgenommen wurden alle experimentellen und nichtexperimentellen Wirksamkeitsuntersuchungen, die bis zum Stichtag (3.6.1991) publiziert wurden. Berücksichtigt wurden auch Arbeiten zur isolierten Wirksamkeit von Disulfiram/Antabus ohne zusätzliches therapeutisches Angebot. Recherchiert wurde in den Datenbanken PSYCINFO und PSYNDEX. Zudem wurde versucht, alle Forschungsarbeiten aufzunehmen, die in das bis dato umfangreichste narrative Review von Miller und Hester (1986) eingegangen waren. Englischsprachige Dissertationen, graue Literatur und nicht publizierte Arbeiten blieben unberücksichtigt. Weitere Ausschlusskriterien waren eine Katamnesedauer von unter sechs Monaten und/oder eine variable Katamnesedauer. Bei den aufgenommenen Arbeiten wurden auch die Ergebnisse kürzerer Katamnesen ausgewertet, allerdings nur für Verlaufsdarstellungen und nicht zur Berechnung der generellen Erfolgsraten. Weitere methodische Ausschlusskriterien waren eine Stichprobengrüsse von weniger als 10 Patienten. Zudem wurden experimentelle Studien ausgeschlossen, wenn aufgrund fehlender Angaben keine
Effektstärken berechnet werden konnten.
Zahl der Primärstudien


Von 320 erfassten Arbeiten erfüllten nur 44 die Einschlusskriterien, 23 experimentelle
Untersuchungen, fast alle aus dem angloamerikanischen, keine aus dem deutschen Sprachraum, und
21 nichtexperimentelle Arbeiten, darunter 13 aus Deutschland, eine aus der ehemaligen DDR, die
übrigen aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Aus der Schweiz war keine Arbeit im
Datenpool. Die durchschnittliche Gruppengrösse betrug 111 Personen (SD = 214) mit einem Range
von 11 bis 1410.
Auswertungskonzept


Auswertungsprobleme ergaben sich durch die geringe Zahl an Studien, welche die
Einschlusskriterien erfüllten, sowie dem geringen Informationsgehalt der ausgewerteten
Publikationen. So konnten viele der ursprünglichen Ziele nicht erreicht werden. Zahlreiche für
relevant erachtete Moderatorvariablen konnten nicht berücksichtigt werden. Dies kam sehr
überraschend, da u.a. die Arbeit von Miller & Hester (1986) suggerierte, dass die Wirksamkeit von
Alkoholismustherapie ein in zahlreichen kontrollierten Studien gut erforschtes Thema darstellt. Die
Folge war, dass letztlich nur die Ergebnisse zweier Therapieklassen verglichen werden konnten:
Eklektische Standardtherapie (umschrieben durch nicht näher spezifizierte, meist konfrontative
Gruppentherapie, durch unspezifische Psychotherapie, Einzelgespräche und Beratung, medizinische
Behandlung von Folgeschäden, Adjuvanztherapien, Informationen über Alkohol und Alkoholismus
und Elemente von Selbsthilfegruppen) und verhaltenstheoretisch fundierte Breitbandtherapie (VT-
B). Hinzu kamen die alleinige Behandlung mit Disulfiram und die Minimaltherapie als
Kontrollbedingungen.
Als ausserordentlich bedeutsam erwies sich die Berechnung der Erfolgskriterien, die gemäss den
Standards der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (1985) gebildet wurden.
Die DGSS-Standards verlangen, dass Erfolgsraten nicht nur mit Bezug auf diejenigen Personen
berechnet werden, die regulär die Therapie beendeten und für die Katamneseinformationen
vorliegen. Gefordert wird vielmehr, dass auch Patienten in die Katamneseerhebungen einbezogen
werden, die die Behandlung irregulär beendeten, und dass im Rahmen einer konservativen Schätzung
des Therapieerfolgs alle Patienten, für die keine Katamneseinformationen beschafft werden können,
als rückfällig eingestuft werden. Dieses Vorgehen ist einerseits dadurch begründet, dass
Therapieabbrecher häufiger rückfällig werden (Küfner, Feuerlein & Huber, 1988; Süß, 1988). Auf
der anderen Seite können oder wollen rückfällige Patienten oft nicht antworten, wodurch Arbeiten
mit geringer Ausschöpfungsquote die Wirksamkeit systematisch überschätzen. Ohne konservative
Schätzung würden daher Forschungsarbeiten mit geringer Datenrücklaufrate gleich doppelt
bevorzugt. Die Erfolgsraten werden überschätzt und die Kosten niedrig gehalten. Die vier daraus
resultierenden Berechnungsmodi sind für experimentelle und nichtexperimentelle Studien
gleichermassen relevant, und sie führten zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen.
Generelle Wirksamkeit

Abstinenz- und Besserungsraten variierten beträchtlich in Abhängigkeit vom Berechnungsmodus. Die mittlere Abstinenzrate aller Behandlungsgruppen variierte zwischen 34 und 47,9 %, die Besserungsrate zwischen 40,7 und 61,8 %, bei einer durchschnittlichen Katamnesedauer von 14,(0)
Monaten (SD = 8,0). Verlaufsdarstellungen liessen mit zunehmender Katamnesedauer einen
signifikanten Abfall erkennen. Daher scheint es wenig sinnvoll, generelle Erfolgsraten ohne Berück-
sichtigung des Katamnesezeitraums zu bestimmen und Studien mit unterschiedlicher
Katamnesedauer untereinander zu vergleichen. Mit zunehmender Katamnesedauer wiederum nahm
der Abstand zwischen der günstigsten und der ungünstigsten Schätzung zu, da die Rücklaufquoten
mit der Katamnesedauer abnahmen. Zudem lagen deutlich weniger Katamnesen von zwei und mehr
Jahren Dauer vor, so dass die Erfolgsraten der Langzeitkatamnesen auf nur wenigen Einzelbefunden
basierten. Weitere Probleme ergaben sich durch die sehr unterschiedlichen Stichprobengrössen. Um
die Populationseffekte möglichst genau zu schätzen, werden in Metaanalysen üblicherweise die
Primärstudien mit der Stichprobengrösse gewichtet. Dabei wird davon ausgegangen, dass die
Variabilität der Befunde durch Stichprobenfehler bedingt ist, was durch Prüfung der
Homogenitätsannahme vorab zu zeigen ist. Das Problem war nun, dass die Stichproben zweier
Studien, Randreport (Polich, Armor, & Braiker, 1981) und MEAT-Studie (Küfner, Feuerlein &
Huber, 1988) so viel grösser waren als alle anderen, dass diese beiden die Ergebnisse der
Metaanalyse insgesamt dominierten. Daher wurden die ungewichteten Mittelwerte bei der
Interpretation bevorzugt.
Differentielle Wirksamkeit


Die Vergleiche zur differentiellen Wirksamkeit erbrachten einen Trend zur Überlegenheit von VT-B
gegenüber eklektischer Standardtherapie, sowohl bei den experimentellen als auch bei den
nichtexperimentellen Studien. Innerhalb der nichtexperimentellen Arbeiten konnte der Effekt sowohl
für Wirksamkeitsstudien aus Deutschland als auch für die Studien aus den anderen Ländern
aufgezeigt werden. Da sich beide Gruppen hinsichtlich der Therapiedauer substantiell unterschieden,
stützen diese Befunde einen generellen Trend zur Überlegenheit von VT-B gegenüber der
Standardtherapie. Dieser Trend war auch ein Effekt der grösseren Treatmentvielfalt von VT-B, die
im Mittel mehr Behandlungskomponenten enthielt als die Standardtherapie.
Moderatoren

Die Studien aus Deutschland erbrachten deutlich bessere Ergebnisse als die der anderen Länder bei fast gleicher durchschnittlicher Katamnesedauer und Behandlungsintensität (Zahl an Behandlungskomponenten), aber vierfach längerer Behandlungsdauer. Die besseren Ergebnisse sind daher vermutlich in erster Linie ein Effekt der längeren Behandlungsdauer. Diese Aussage ist beschränkt auf die Wirksamkeit stationärer Behandlung, da zu ambulanter Therapie keine Arbeiten aus Deutschland vorlagen. In den angloamerikanischen Arbeiten erbrachte der Vergleich von ambulanter mit stationärer Therapie keinen Unterschied. Die ambulanten Therapien dauerten im Mittel 13,4 Wochen, die stationären 5 Wochen. Dieser Vergleich fiel somit bei Berücksichtigung der Kosten-Nutzenrelation zu Gunsten der ambulanten Therapie aus. Ob mit ambulanter Therapie bei längerer Therapiedauer vergleichbar gute Ergebnisse erzielt werden könnten, wie mit stationärer Langzeittherapie in Deutschland, blieb offen. Als Moderatorvariable des Behandlungserfolgs konnten soziale Merkmale bestätigt werden. Die Abstinenz- und Besserungsraten waren umso höher, je weniger soziale Probleme die Patienten aufwiesen. Die Metaanalyse von Monahan & Finney (1996)
Monahan und Finney prüften in einer quantitativen Metaanalyse den Zusammenhang von Patienten-,
Untersuchungs- und Behandlungsmerkmalen mit dem Erfolgskriterium Abstinenz und stützten sich
hierbei auf die Ergebnisse einer Metaanalyse von Costello, Biever & Baillargeon (1977) und
Costello (1975, 1980). Costello et al. waren in methodisch eher problematischen Analysen (vgl. Süß,
1988) zu dem Schluss gekommen, dass ein Zusammenhang von Intensität und Differenziertheit der
Behandlung mit dem Behandlungserfolg durch die vorliegenden Ergebnisse gestützt wird. In
intensiven und differenzierten Behandlungsprogrammen wurden Patienten mit prognostisch
ungünstigen Merkmalen aber ausgeschlossen. Da die Ausschlussvariablen negativ mit dem
Therapieerfolg korrelierten, waren beide Effekte kontaminiert und Aussagen zum Zusammenhang
von Behandlungsintensität und Behandlungserfolg nicht bzw. nur eingeschränkt möglich. Dieser
Frage wollten Monahan und Finney in ihrer Arbeit nachgehen.
Methoden


Berücksichtigt wurden Arbeiten, die zwischen 1980 und 1992 in englischsprachigen
Fachzeitschriften und als Dissertationen veröffentlicht wurden. Recherchiert wurde in den
Datenbanken Medline, ETOH, PsycInfo und PsycLit sowie im amerikanischen Dissertationskatalog.
Auch Reviews wurden als Literaturquelle herangezogen. Keine Ausschlusskriterien wurden
hinsichtlich der Forschungsdesigns angewandt. Studien mit und ohne Kontrollgruppe wurden
aufgenommen, auch retrospektive Katamnesen. Der minimale Katamnesezeitraum betrug drei
Monate. Um die Ergebnisse von Costello et al. einer erneuten Prüfung unterziehen zu können,
wurden nur Primärstudien aufgenommen, die Angaben zur sozialen Stabilität der Patienten, zur
Intensität der Behandlung und zum Kriterium Abstinenz enthielten. Einschränkungen bezüglich des
Therapieziels waren damit nicht verbunden. Studien wurden aufgenommen, unabhängig davon, ob
dauerhafte Abstinenz, kontrolliertes Trinken oder die Reduktion des Alkoholkonsums Therapieziel
waren. Somit konnte geprüft werden, ob die Abstinenzraten höher waren, wenn das explizite
Therapieziel «dauerhafte Abstinenz» lautete. Zudem wurden Angaben zur sozialen Stabilität
verlangt, operationalisiert durch Beschäftigungs- und Ehe-Status (Zivilstand?). Keine
Ausschlusskriterien gab es bezüglich der Diagnose. Dies hatte zur Folge, dass unter den
Primärstudien nicht nur Behandlungsprogramme für Alkoholabhängige, sondern auch für
Problemtrinker (Missbrauch bzw. schädlicher Gebrauch) und gemischte Gruppen enthalten waren.
Zahl der Primärstudien


Erfasst wurden 339 Studien. Hiervon erfüllten 108 Studien (172 Treatments) die Einschlusskriterien.
Aus diesem Pool wurden noch Arbeiten ausgeschlossen, bei denen ein Teil der Patienten ambulant,
ein anderer Teil stationär behandelt wurde, ohne dass getrennte Auswertungen vorgenommen
wurden. Insgesamt 100 Arbeiten mit 150 Treatments gingen in die Metaanalyse ein. Die
Gruppengrösse variierte zwischen 9 und 8000 mit einem Mittelwert von 183 (Median = 53). Der
Vergleich der erfassten mit den einbezogenen Studien ergab einige bedeutsame Unterschiede, welche
die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränken.
Auswertungskonzept

Als Erfolgskriterium wurden nur Abstinenzraten verwendet, auch wenn weitere Kriterien vorlagen. Patienten-, Design- und Behandlungsvariablen wurden in dieser Reihenfolge in eine hierarchische Regression eingeführt, um den Einfluss von Patienten- und Designmerkmalen bei der Schätzung der
Treatmenteffekte kontrollieren zu können.
Generelle Wirksamkeit


Die durchschnittliche Abstinenzrate aller 150 Treatments betrug M = 42,9 % (SD = 22,6), bei einer
Katamnesedauer von M = 10,6 Monaten (SD = 12,4).
Die Gewichtung mit der Stichprobengrösse erbrachte nach Angaben der Autoren nur geringfügig
andere Ergebnisse. Wie die Abstinenzraten berechnet wurden, wird nicht gesagt. Vermutlich wurden
die Angaben der Autoren direkt übernommen, so dass sich dahinter unterschiedliche
Berechnungsansätze verbergen (mit/ohne Abbrecher). Geprüft wurde aber der Zusammenhang von
Abstinenz- und «follow up»-Rate. Die «follow up»-Rate wurde mit Bezug auf alle Patienten
berechnet, welche die Behandlung begonnen hatten. Fehlende Angaben, etwa bei retrospektiven
Katamnesen, wurden durch den Mittelwert aller Studien substituiert (75 %). Die Korrelation betrug
nur r = -0.12 und war nicht signifikant. Die Dauer des Katamnesezeitraums war schwach negativ
korreliert mit der Abstinenzrate. Je kürzer die Katamnesedauer, desto höher war die Abstinenzrate.
Den Unterschied einer 3-Monats- mit einer 12-Monatskatamnese schätzten die Autoren auf 7 %.
Differentielle Wirksamkeit


Die Abstinenzrate war abhängig von der Behandlungsintensität. Intensivere Behandlungsprogramme
(meist stationäre Behandlungen, aber auch Tageskliniken) erzielten höhere Abstinenzraten als
weniger intensive (meist ambulante). Dieser Befund blieb auch nach der Kontrolle der Patienten-
(u.a. soziale Stabilität) und Designvariablen in der hierarchischen Regression stabil. Rund 75% aller
Treatments wurden als intensiv eingestuft. Die mittlere Behandlungsdauer der intensiven Treatments
betrug 34.6 Tage (SD = 21,2) bzw. geschätzte 148 Stunden, die der wenig intensiven 14,1 Stunden
(SD = 30). Die intensiven Programme dauerten damit mehr als 10-mal länger. Demnach handelt es
sich hier primär um einen Effekt der Behandlungsdauer und nicht um einen Setting-Effekt. Aussagen
zur vergleichenden Wirksamkeit von stationärer vs. ambulanter Therapie können also nicht
abgeleitet werden. Behandlungsprogramme mit dem expliziten Behandlungsziel «Abstinenz» hatten
im Mittel rund 26 % höhere Abstinenzraten als Treatments ohne das Behandlungsziel «Abstinenz».
Dieser Befund hat allerdings eine schwache Datenbasis, da nur 5 der 150 Treatments Abstinenz nicht
als Behandlungsziel vorsahen. Für drei weitere Behandlungsmerkmale konnte kein Zusammenhang
mit Abstinenz aufgezeigt werden: Einbeziehen von Familienangehörigen, verhaltenstherapeutische
Behandlung (VT) und Antabus als zusätzliches Treatment. Wurden Patienten- und Designmerkmale
in einer hierarchischen Regression kontrolliert, war VT aber ebenfalls ein Prädiktor für Abstinenz.
Moderatoren

Das Patientenmerkmal «soziale Stabilität» erklärte 4 % der Varianz des Kriteriums Abstinenz: Je sozial stabiler die behandelten Patienten, desto höher war die Abstinenzrate. Verglichen mit den anderen zwei Prädiktorgruppen war die soziale Stabilität aber der schwächste Prädiktor. Designmerkmale erklärten zusätzlich zur sozialen Stabilität 13 %, Behandlungsmerkmale weitere 17 % der Kriteriumsvarianz. Insgesamt konnten 34 % der Varianz der Abstinenzraten aufgeklärt werden. Überraschenderweise und anders als bei Costello et al. (1977) wiesen Behandlungs-programme, welche Patienten mit ungünstigen Merkmalen (psychiatrische Zusatzdiagnosen, hirnorganische Störungen, kognitive Beeinträchtigungen, schwere Abhängigkeitssymptome) nicht ausschlossen, signifikant höhere Abstinenzraten auf als Programme mit entsprechenden Ausschluss- kriterien (r =,30). Dieser Effekt war aber konfundiert mit Setting-Variablen. Die Programme ohne
Ausschlusskriterien wurden überwiegend in privaten Einrichtungen durchgeführt. Diese wiesen zwar
Patienten mit ungünstigen Merkmalen nicht ab, behandelten aber trotzdem mehr sozial stabile
Patienten, und die Behandlung war intensiver. Die privaten Behandlungseinrichtungen
(Abstinenzrate: M = 49,7 %, SD = 22,1%) erzielten dementsprechend auch bessere Ergebnisse als
die öffentlichen (36,5%, SD = 21,1%). Diese Metaanalyse bestätigt somit die Befunde von Costello
et al.
Metaanalyse von Grawe, Donati und Bernauer (1994)

Die Metaanalyse von Grawe, Donati und Bernauer hatte zum Ziel, die Wirksamkeit von
Psychotherapie ganz generell zu untersuchen, und reichte damit deutlich über das Thema dieses
Beitrags hinaus. Diese Metaanalyse wurde über viele Jahre äusserst kontrovers diskutiert (vgl. z.B.
die Diskussionen in der Psychologischen Rundschau 1992, Psychosomatische Medizin und
Psychoanalyse 1994 und 1995; Psychotherapeut 1994 und 1995; Zeitschrift für Klinische
Psychologie 1995 und 1996). Der Grund war, dass Grawe et al. aus ihren Ergebnissen eine
Überlegenheit von Verhaltenstherapie gegenüber psychodynamischen und humanistischen Therapien
ableiteten. Diese Kontroverse soll hier nicht wiederholt werden. Stattdessen wird das methodische
Vorgehen skizziert, und die Befunde zur Wirksamkeit von Alkoholismustherapie werden
zusammengefasst.
Methoden

Die Arbeit besteht aus zwei Teilen. Für den ersten, umfangreichen Teil wurden aus rund 3500 Arbeiten, die bis 1983 publiziert wurden, 897 kontrollierte Studien ausgewählt. Ausgeschlossen wurden einige klinische Gruppen, und auch methodische Kriterien wurden angewandt (Stichprobengrösse pro Behandlungsbedingung unter vier Personen, Behandlungsdauer unter vier Sitzungen). Recherchiert wurde in Datenbanken, Zeitschriften und Büchern. Alle Studien wurden nach einem extrem umfangreichen Kodierplan geratet. Fast 1000 Einzelmerkmale wurden berücksichtigt. Die methodische Qualität der Studien wurde anhand von acht Kriterien bewertet und für jede ein Güteprofil erstellt. Für jede Studie wurden in umfangreichen Tabellen Patienten-, Therapeuten- und Behandlungsmerkmale dargestellt. Die Erfolgskriterien wurden in elf Bereiche unterteilt. Berichtet wird für jede Studie, ob signifikant positive oder negative Effekte erzielt wurden. Für einzelne Treatments, für Klassen von Behandlungsverfahren, aber auch für unterschiedliche Settings und klinische Gruppen wurde die Zahl der signifikanten Befunde ausgezählt (vote counting) und der Gesamtzahl der vorgenommenen Vergleiche gegenübergestellt, getrennt für Kontrollgruppen- und Prä-Post-Vergleiche. Nicht berücksichtigt wurde hierbei, ob die Daten aus derselben oder verschiedenen Untersuchungen stammten. Auch die Effektstärken blieben unberücksichtigt. Somit lagen keine quantitativen Kriterienmasse vor, so dass auch der Zusammenhang der zahlreichen Moderatorvariablen mit den Erfolgskriterien nicht statistisch überprüft werden konnte. Der zweite Teil enthält die Ergebnisse einer quantitativen Metaanalyse, basiert aber nur auf 41 kontrollierten Studien, die bis 1991 veröffentlicht wurden, darunter 18, die im ersten Teil noch nicht enthalten waren. Letzterer fokussiert auf den Vergleich verschiedener Therapieformen und enthält keine Aussagen zur Alkoholismustherapie, er wird hier nicht weiter berücksichtigt. Anzahl der Primärstudien


Einbezogen wurden Studien zur Wirksamkeit von drei Gruppen kognitiv-behavioraler Therapien:
Aversionstherapie und Training sozialer Kompetenz (TSK) als spezifische Behandlungsverfahren
sowie Verhaltenstherapie als Breitbandtherapieprogramm (VT-B) mit mindestens zwei, in der Regel
jedoch mehr als zwei Techniken. Die genaue Zahl der Studien und Gruppenvergleiche ist den
zusammenfassenden Tabellen nicht zu entnehmen.
Differentielle Wirksamkeit


Zur Wirksamkeit von TSK bei Alkoholabhängigen wurden zehn Kontrollgruppenvergleiche
gefunden. Nur sieben berücksichtigten den Alkoholkonsum als Kriterium, hiervon fanden fünf einen
positiven Effekt. Bei vier von fünf Vergleichen konnten Verbesserungen im zwischenmenschlichen
Bereich festgestellt werden. Prä-Post-Vergleiche wurden in acht Arbeiten berichtet, fünf davon mit
dem Alkoholkonsum als Kriterium. Von diesen wiederum erzielten zwei positive Ergebnisse. Sieben
Mal wurden Veränderungen im zwischenmenschlichen Bereich geprüft, alle mit positiven
Ergebnissen. Die Wirksamkeit von Aversionstherapie wurde dreizehn Mal in
Kontrollgruppenstudien überprüft. Zwölf hatten den Suchtmittelkonsum als Kriterium, zehn davon
berichteten positive Effekte. Andere Kriterien wurden nur in einigen wenigen Studien erfasst, fast
alle ohne Erfolg. Prä-Post-Vergleiche wurden sieben Mal vorgenommen, davon fünf mit dem
Suchtmittelkonsum als Kriterium. Hiervon erbrachten drei Vergleiche ein signifikant positives
Resultat.
Zur Wirksamkeit von VT-B lagen 14 Studien vor, fast alle prüften mehr als eine
Behandlungsbedingung. Alle, bis auf eine neuseeländische Studie, kamen aus Nordamerika. Nur vier
nahmen einen Kontrollgruppenvergleich vor, die übrigen Prä-Post-Vergleiche. Je zur Hälfte wurden
Alkoholabhängige und Problemtrinker (Alkoholmissbrauch) behandelt. In fast allen Studien war
kontrolliertes Trinken das Therapieziel. Die Therapiedauer variierte zwischen 3 und 30 Wochen.
Zum Kriterium Suchtmittelkonsum lagen die Ergebnisse von vier Kontrollgruppenvergleichen vor,
zwei davon berichteten signifikante Verbesserungen. Prä-Post-Vergleiche lagen von 14 Gruppen vor,
alle berichteten signifikante Verbesserungen. Dieses Ergebnis galt für beide Diagnosegruppen
(Abhängigkeit und Missbrauch mit fünf bzw. neun Gruppen) und alle drei Settings (stationär,
ambulant und ambulant/stationär mit zwei, zehn und zwei Gruppen). Für andere Kriterien lagen
deutlich weniger Ergebnisse vor. Die Ergebnisse waren in der Mehrzahl ebenfalls positiv, aber nicht
so konsistent wie beim Suchtmittelkonsum.
Insgesamt waren demnach die Ergebnisse zum Suchtmittelkonsum durchweg positiv, unabhängig
von Diagnose und Setting, und für Breitbandtherapie konsistent besser als für die spezifischen
Treatments. Für die anderen Kriterien lagen weniger Befunde vor und die Ergebnisse sind auch nicht
so positiv. Eine Ausnahme stellt das TSK dar. Hier konnten die angestrebten Verbesserungen im
zwischenmenschlichen Bereich konsistent aufgezeigt werden.
Die Metaanalyse von Berglund et al. (2003)

Die Übersichtsarbeit von Berglund et al. besteht aus einem systematischen narrativen Review, das
durch metaanalytische Ergebnisse ergänzt wird. Hierzu gibt es auch eine Buchpublikation (Berglund,
Johnsson & Thelander, 2003), die aber für diesen Beitrag nicht zur Verfügung stand. Evaluiert
wurden (a) Präventionsprogramme gegen gefährlichen Alkoholkonsum, (b) Entzugsprogramme, (c)
psychosoziale Programme bei Alkoholproblemen und (d) pharmakologische Treatments bei
Alkoholabhängigkeit. Die folgende Darstellung beschränkt sich auf die beiden zuletzt genannten
Fragestellungen.
Im Focus standen «Randomized Clinical Trials» (CRT), Studien mit Zufallszuweisung der Patienten
zu Behandlungs- und Kontrollbedingung. Diese Untersuchungspläne maximieren die interne
Validität. Sie liefern die beste empirische Evidenz für die kausale Wirkung der Behandlung und
reduzieren die Zahl der Alternativerklärungen, wenngleich diese nicht völlig ausgeschlossen werden
können. Aus rechtlichen und ethischen Gründen werden nur CRT-Studien eher selten durchgeführt,
die Stichproben sind oft klein und die Untersuchungsbedingungen eher untypisch, so dass die
Generalisierbarkeit der Ergebnisse vielfach unklar bleibt.
Wirksamkeit psychosozialer Behandlungsmassnahmen.

Methoden


In diese Übersicht wurden Arbeiten einbezogen, die bis März 2002 erschienen sind. Recherchiert
wurde in den internationalen Datenbanken Medline, EtOH und in den Current Contents. Auch die
Literaturlisten anderer Reviews wurden einbezogen. Insgesamt 164 Studien erfüllten die Aufnahme-
kriterien. Hiervon prüften nur 23 die Wirksamkeit gegenüber einer «No treatment»- Bedingung
(keine Behandlung, Warteliste oder Minimalbehandlung, operationalisiert durch nur eine einzelne
Behandlungssitzung). Die Stichproben variierten zwischen 17 und 134 Patienten. Von diesen
wiederum wurden 16 Studien in die quantitative Metaanalyse einbezogen. Die Gründe für diese
massive Reduktion werden nicht erläutert, vermutlich konnten aber für die anderen Studien keine
Effektstärken berechnet werden.
Auswertungskonzept


Für das narrative Review wurde lediglich ausgezählt, wie oft die Behandlungs- den Kontrollgruppen
überlegen waren (vote counting), die Stärke der Effekte blieb unberücksichtigt. Für die Metaanalyse
wurden Effektstärken (standardisierte Mittelwertsdifferenzen) berechnet.
Generelle Wirksamkeit


Die psychosoziale Behandlung war bei 15 von 23 Vergleichen der Kontrollbedingung überlegen. Die
mittlere Effektstärke der 16 Treatments betrug d = 0.37 (95% CI: 0.18 bis 0.57).
Differentielle Wirksamkeit

Die Ergebnisse der narrativen Übersicht basieren jeweils auf einer unterschiedlichen und nicht immer explizit benannten Zahl von Studien. Spezifische Treatments (motivationsunterstützende Massnahmen, kognitive Verhaltenstherapie, strukturierte Interaktionstherapie, 12-Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker) erwiesen sich bei 16 von 22 Vergleichen von Standardbehandlungs-programmen (unterstützende Beratung, sozial unterstützende Massnahmen, teilweise Disulfiram) als überlegen, aber innerhalb der Gruppe der spezifischen Treatments war keines den andern überlegen. Familientherapie erbrachte positive Resultate im Vergleich zu einer Wartegruppe, ebenso das Einbeziehen von Familienangehörigen in die Therapie. Wenig Bestätigung fanden die Autoren für
die Zuweisung von spezifischen Patientengruppen zu unterschiedlichen Behandlungsbedingungen,
wobei hier auf das unten beschriebene Projekt MATCH verwiesen wird. Auch für den
Zusammenhang von Setting (ambulant vs. stationär) und Behandlungsintensität (Menge, Dauer) mit
den Erfolgskriterien fanden die Autoren wenig empirische Evidenz.
Personen mit wenigen Problemen und ohne ausgeprägte Abhängigkeitssymptomatik (schädlicher
Gebrauch, Problemtrinker) profitierten von Selbsthilfetexten und anderen schriftlichen Informationen
genauso viel wie von der Teilnahme an sechs bis zehn Therapiesitzungen. Diese Aussage stützt sich
auf fünf Studien, die alle zu dem gleichen Ergebnis kamen. Kurzzeittherapien mit wenigen Sitzungen
erzielten die gleichen Effekte wie längere. Die Dauer der Langzeittherapie wurde nicht angegeben, in
der abschliessenden Diskussion wird jedoch von ein bis drei Monaten gesprochen. Bei schweren
Problemen konnten durch intensivere Therapie bessere Ergebnisse erzielt werden. Nur in wenigen
Studien wurden auch Patienten mit zusätzlichen psychiatrischen Krankheitsbildern und/oder
Obdachlose behandelt. Bei Obdachlosen erwiesen sich Verhaltenstherapie und intensive
Einzelfallbetreuung als wirksam, unterstützendes Wohnen und stationäre Behandlung waren
ambulanten Behandlungsmassnahmen nicht überlegen.
Wirksamkeit pharmakologischer Treatments

In die Metaanalyse zur Wirksamkeit pharmakologischer Treatments bei Alkoholabhängigen wurden
insgesamt 122 Publikationen und 15 unpublizierte Arbeiten mit RCT-Design einbezogen, die bis
Juni 2002 publiziert wurden. Recherchiert wurde in mehreren Datenbanken, darunter Medline. Die
minimale Behandlungsdauer betrug vier Wochen, die Stichprobengrösse mindestens 15 Personen.
Ergebnisse


Für den Vergleich von Acamprosate mit einer Placebobedingung ergab sich auf der Grundlage von
15 Studien, alle aus Europa, für das Kriterium Abstinenz eine Effektstärke von d = 0,26 (95% CI,
0,20 – 0,32). Die Behandlungsdauer variierte zwischen drei und zwölf Monaten, die
Stichprobengrössen zwischen 61 und 581. Weitere metaanalytische Ergebnisse werden für den
Vergleich einer Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) und Naltrexone /Nalmefene
mit CBT und Placebo berichtet. Für das Kriterium Alkoholkonsum betrug die Effektstärke d = 0,28
(95% CI: 0,13 – 0,44) zu Gunsten der zusätzlichen Gabe von Naltrexone/Nalfeme. Nur eine von fünf
Studien erbrachte ein gegenteiliges Resultat. Die Gesamtstichproben variierten zwischen 86 und 129
Personen.
Moderatoren


Die Effekte der pharmakologischen Treatments waren grösser, wenn die Einnahme supervidiert
wurde. Die mittlere Effektstärke betrug hier d = 0,53 (95% CI, 0,26 – 0,79).
Metaanalyse von Miller & Wilbourne (2002)
Die umfangreichsten Literaturübersichten wurden von der Arbeitsgruppe um William R. Miller und
Reid K. Hester vorgelegt, mehrfach erweitert und modifiziert. Miller und Hester begannen mit
narrativen Literaturübersichten (Miller & Hester, 1980, 1986). Im Zentrum der Ergebnisse stand die
Feststellung, dass sich die Treatments deutlich in ihrer Wirksamkeit unterscheiden. Insbesondere für
die Wirksamkeit verhaltenstheoretisch fundierter Therapieprogramme wie «covert sensitization»,
Selbstkontroll-, Selbstsicherheits- und Stressbewältigungstraining, fanden sie umfangreiche
empirische Evidenz. Gleichzeitig stellten sie fest, dass diese Behandlungskonzepte in den USA kaum
angewandt werden. Zu den am häufigsten angewandten Treatments zählten sie konfrontative
Gruppentherapie, Beratungs-, Erziehungs- und Aufklärungsprogramme, individuelle Beratung,
Programme der Anonymen Alkoholiker und Disulfiram. Für diese Behandlungsmassnahmen
wiederum konnten sie keine oder nur wenige Wirksamkeitsbelege finden. Zudem stellten sie fest,
dass stationäre Behandlung der ambulanten nicht überlegen ist und dass ambulante Therapie
aufgrund der geringeren Kosten deshalb bevorzugt werden sollte.
In ihren neueren, bereits wieder mehrfach aktualisierten Literaturübersichten (Miller & Hester, 1995;
Miller, Brown, Simpson, Handmaker, Bien, Luckie, Montgomery, Hester, & Tonigan, 1995; Miller
& Wilbourne, 2002; Miller, Wilbourne und Hettema, 2003) präsentieren die Autoren einen eigenen
Forschungsansatz, um die Literaturlage zu bewerten. Das Hauptanliegen besteht darin, die
methodische Qualität der Studien bei der Bewertung zu berücksichtigen. Die folgende Übersicht
bezieht sich auf die Ergebnisse von Miller und Wilbourne (2002), die insgesamt 361 Studien
auswerteten.
Methoden

In die Arbeit von Miller und Wilbourne (2002) wurden, wie auch in die früheren Übersichten, nur kontrollierte Studien mit Random- oder Matching-Design einbezogen. Als Kontrollbedingung waren «No treatment», Placebo, Kurzintervention oder ein alternatives Treatment zugelassen. Berücksichtigt wurden alle Arbeiten zur Behandlung von Alkoholproblemen, auch Arbeiten bei nichtklinischen Stichproben. Mindestens ein suchtmittelbezogenes Erfolgskriterium (Trinkverhalten, Folgen von Alkoholkonsum) musste berichtet werden. Recherchiert wurde in englischsprachigen Datenbanken und von Hand in Zeitschriften. Einzelheiten werden nicht berichtet. Die methodische Qualität der Studien wurde von zwei Personen auf zwölf Dimensionen geratet und bei unterschiedlichen Ratings anschliessend ein Konsens hergestellt. Berücksichtigt wurde u.a. das Untersuchungsdesign (maximale Punktzahl für Studien mit Zufallszuweisung), Datenausschöpfungsquote, Katamnesedauer und die Methode der Katamneseerhebung. Berücksichtigt wurde auch, ob die Treatmentvalidität kontrolliert wurde. Für jedes Therapieverfahren wurden alle Ratings zu einem Gesamtindex für die methodische Qualität (Methodological Quality Score, MQS) aufsummiert, wobei die verschiedenen Aspekte unterschiedlich gewichtet wurden. So wurde das Untersuchungsdesign stärker gewichtet als alle anderen Kriterien. Dieses Vorgehen impliziert ein kompensatorisches Modell. Der gleiche Qualitätsindex kann auf ganz unterschiedliche Art und Weise erreicht werden. Für jedes Treatment wurde zudem ein «Output Logic Score» (OLS) gebildet, der aus dem Design abgeleitet wurde und zwischen –2 und +2 variieren konnte. Der höchste Wert wurde vergeben, wenn das Untersuchungsdesign Schlussfolgerungen für einen spezifischen Effekt erlaubte (z.B. durch den Vergleich eines Treatments mit einer unbehandelten Kontrollgruppe) und wenn der Unterschied statistisch signifikant war. Der niedrigste Wert wurde vergeben, wenn ein gutes Design für einen spezifischen Effekt vorlag, der Wirksamkeitsnachweis somit möglich war, aber nicht erbracht werden konnte. Für jede Treatmentmodalität wurde dann ein kumulativer Evidenzscore (Cumulative Evidence Score, CES) gebildet, indem für jedes Treatment das Kreuzprodukt aus MQS und OLS berechnet und alle Kreuzprodukte zu einem Gesamtindex aufsummiert wurden. Dieser Gesamtsscore ist somit abhängig von der Zahl der vorliegenden Studien, der methodischen Qualität und den Ergebnissen. Er soll für jede Therapiemodalität deren aktuelle empirische Evidenz, den Stand der Forschung wiedergeben. Schliesslich wurde für jede Studie der Schweregrad der Alkoholprobleme
der behandelte Patientenpopulation mit Werten zwischen eins und vier Punkten geratet. Die Werte
drei und vier wurden vergeben, wenn es sich um eine klinische Population handelte, der Wert vier,
wenn eine sichere Abhängigkeitsdiagnose vorlag.
Differentielle Wirksamkeit bei klinischen Populationen


Berücksichtigt wurden nur psychosoziale Behandlungsprogramme bei schweren Alkoholproblemen
(klinische Populationen) und Therapieklassen, für die mindestens drei Studien vorlagen Die meiste
empirische Evidenz liegt nach Miller und Wilbourne für «brief interventions» vor, für
Beratungsgespräche von ein bis zwei Sitzungen, gefolgt von «social skill training» und den
pharmakologischen Treatments Acamprosate (GABA Agonist) und Naltrexone/Nalmefene (Opiate
Antagonist). Dann folgen die VT-Treatments «community reinforcement approach» (ein integratives,
verhaltenstheoretisch fundiertes Behandlungskonzept, das mehrere Skill-Trainings enthält),
«behavior contracting», «behavioral marital therapy», «case management» und «cognitive Therapy».
Die in den früheren Übersichten zur Standardtherapie zählenden Therapiebausteine finden sich am
Ende der aus 46 Therapiekomponenten bestehenden Liste wieder. Nur Disulfiram liegt überraschend
auf Platz 12 des Rankings. Wurde nur der Prozentsatz an Studien mit positiven Befunden
berücksichtigt und nicht die Zahl und deren methodische Qualität, dann lagen «community
reinforcement approach» mit 100 % positiven Befunden und die beiden pharmakologischen
Treatments Acamprosate (100%) bzw. Naltrexone (87%) vorn, gefolgt von «behavior contracting»
(80%) und Kurzinterventionen (73%). Für die Standardtherapien lagen auch nach diesem Kriterium
nur sehr wenige unterstützende Befunde vor mit Erfolgsraten zwischen 0 und 14 %.

Differentielle Wirksamkeit unabhängig vom Schweregrad

Wurde der Schweregrad der Alkoholprobleme nicht berücksichtigt, lag die meiste empirische Evidenz für die Wirksamkeit von Kurzinterventionen und Treatments zu Motivationssteigerung vor. Dann folgten die beiden pharmakologischen Treatments vor den VT-Programmen. Der Anteil der Studien mit positiven Ergebnissen war bei allen Treatments deutlich geringer als bei den klinischen Populationen. Die besten Ergebnisse erzielten Motivationsprogramme (53% positive Befunde) gefolgt von Selbstkontrolltraining (51%), «community reinforcememt approach» (50%), VT-Partnerschaftstherapie (50%), «self monitoring» (50%) und Kurzinterventionen (48%). In einer weiteren Arbeit kamen Miller, Walters und Bennett (2001) zu dem Schluss, dass schon ein Jahr nach der Behandlung nur einer von vier Patienten kontinuierlich abstinent lebt und zusätzlich einer von zehn mässig und ohne Probleme trinkt. Die Verwendung des Abstinenzkriteriums halten sie daher für ungeeignet, um den Erfolg einer Therapie zu bewerten. Stattdessen plädieren sie dafür, jede auch noch so kleine Reduktion des Konsums als Erfolg zu bewerten. Nach ihrer Übersicht reduzieren rund 87 % aller behandelten Patienten ihren Alkoholkonsum und rund 60 % auch die Zahl der alkoholbezogenen Probleme. Alle diese Erfolgskriterien werden in den Übersichtsarbeiten von Miller et al. zugelassen. Da auf der anderen Seite die Stabilität der Kriterien nicht geprüft wird, ist dies vermutlich der Hauptgrund, warum in diesen Übersichten Kurzinterventionen und pharmakologische Agonisten selbst bei klinischen Populationen zu den erfolgreichsten Behandlungsmassnahmen gezählt werden. Integration und Diskussion der Befunde

Die Metaanalysen kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass psychosoziale Therapie von
Alkoholismus wirksam ist. Eine generelle Quantifizierung des Effekts ist aber nicht möglich. Die
Grösse des Effekts ist abhängig von der Art der Kriterien, von der Zusammensetzung der Stichprobe
und dem methodischen Vorgehen. Abstinenz mag aus klinischer Sicht das Kriterium der Wahl bei
Alkoholabhängigkeit sein. Bei Missbrauch und bei der Bewertung von Alkoholproblemen bei nicht-
klinischen Stichproben, reicht es sicherlich nicht aus. Hier konnten Besserungseffekte aufgezeigt
werden, auch wenn das Ziel dauerhafte Abstinenz nicht erreicht werden konnte. Werden andere
Kriterien herangezogen, dann gibt es sehr viele Möglichkeiten der Operationalisierung, so dass die
Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht gegeben ist. Als Ausweg bietet sich die Berechnung von
Effektstärken an. Für Arbeiten mit experimentellem Design und folglich hoher interner Validität
errechneten Berglund et al. (2003) eine Effektstärke von d = 0,37. Süß (1995) kam für Vergleiche
von VT-B mit Standardtherapie auf einen Wert von d = 0,59 und für Standardtherapie mit
Minimaltherapie auf d = 0,17. Auf der Stichprobenseite ist zusätzlich zur Diagnose auch die soziale
Stabilität zu berücksichtigen, da sie substantiell mit den Erfolgskriterien korreliert ist. Beim
methodischen Vorgehen sind in jedem Fall der Katamnesezeitpunkt und die Datenausschöpfungsrate
(«follow up»-Rate) zu beachten. So scheint es dringend geboten, die Standardisierungsvorschläge der
Fachgesellschaften zu beachten (Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, 2001),
um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu verbessern (Süß, 1997).
Die Metaanalyse von Süß (1995) stützt die Vermutung, dass durch längere Therapie deutlich bessere
Ergebnisse erzielt werden können. Die relativ hohe Abstinenzrate, die von Monahan und Finney
(1996) für deutlich kürzere Treatments berichtet wurde, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen,
da andere Auswahlkriterien und Berechnungsmethoden angewandt wurden. Dennoch ist hier kritisch
anzumerken, dass die guten Ergebnisse aus Deutschland alle aus nicht kontrollierten Studien
stammen. In einer Metaanalyse von Metaanalysen zur Wirksamkeit psychologischer Interventionen
aus ganz unterschiedlichen Anwendungsfeldern konnten Lipsey und Wilson (1993) zeigen, dass die
Effektstärken bei Kontrollgruppenvergleichen (d =.47) deutlich geringer sind als bei Prä-Post-
Vergleichen (d =.76). Veränderungen gibt es auch dort, wo nicht gezielt interveniert wird. Lambert,
Weber & Sykes (1993) kalkulierten in einer zusammenfassenden Metaanalyse zur Wirksamkeit von
Psychotherapie den durchschnittlichen Placeboeffekt bei psychosozialen Störungen, berechnet durch
den Vergleich von Minimaltreatments mit echten «no Treatment»-Bedingungen, auf d =,42. Die
durchschnittliche Effektstärke für den Vergleich spezifischer Psychotherapie mit «no Treatment»-
Bedingungen betrug bei Lambert et al. d =,82 und war damit fast doppelt so gross. Die absolute
Wirkung der längeren Therapiedauer wird demnach in den Studien aus Deutschland vermutlich
überschätzt. Da die besseren Ergebnisse aber auch gegenüber Studien mit gleichartigem Design
aufgezeigt werden konnten, ist der generelle Trend dadurch nicht in Frage gestellt. Die Unterschiede
der mittleren stationären Therapiedauern, die diesen Ergebnissen zugrunde liegen, sind allerdings
beachtlich. Ob die vierfach längere Therapiedauer in Deutschland letztlich einer Kosten-
Nutzenprüfung standhält, oder ob Alternativmodelle zu bevorzugen wären, ist ein anderes Thema
und kann hier nicht diskutiert werden. Der Effekt der Therapiedauer wird auch nicht dadurch in
Frage gestellt, dass bei der Variation von Therapiedauern von deutlich unter vier Wochen keine
Effekte erzielt werden konnten, denn die dabei erzielten Ergebnisse hatten ein deutlich niedrigeres
Niveau. Bei diesen sehr kurzen Treatments ist nicht nur die Dauer, sondern auch das Setting
(ambulant vs. stationär) unbedeutend. Zumindest kam keine Übersichtsarbeit zu gegenteiligen
Schlussfolgerungen.
Empirische Evidenz gibt es auch für die Spezifität der Behandlungsmassnahmen. Spezifischere
Treatments erbrachten bessere Ergebnisse (Süß, 1995; Monahan & Finney, 1996; Berglund et al.,
2003). Unklar ist, ob es sich hierbei um einen Effekt der Behandlungsart handelt. So kamen aber, mit
Ausnahme von Berglund et al, alle Arbeiten zu dem Schluss, dass VT und VT-B bessere Ergebnisse
erbrachten als Standardtherapie. Da jeweils unterschiedliche Stichproben von Primärstudien
ausgewertet und unterschiedliche Analysestrategien verwendet wurden, spricht viel für diese
Annahme. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass Berglund et al. nur die besten
Untersuchungsdesigns berücksichtigten und somit die Arbeiten mit der höchsten internen Validität.
In jedem Fall ist dieser Effekt an die höhere Zahl der Treatmentkomponenten gekoppelt, die bei den
VT-Studien angewandt wurde. Die Metaanalysen von Berglund et al. stützen zusätzlich die
Vermutung, dass durch supervidierte Applikation von Naltrexone/Nalfeme die Wirkung
verhaltenstherapeutischer Massnahmen verbessert werden kann.
Die Arbeiten von Grawe et al. (1994) sowie Miller & Wilbourne (2002) basieren auf der Methode
des «vote counting», dem Auszählen signifikanter Ergebnisse. Dieses Vorgehen berücksichtigt die
Stärke der erzielten Effekte nicht und lässt zudem ausser Acht, dass bei kleinen Stichproben die
statistische Power nicht ausreicht, um aufgefundene Unterschiede zufallskritisch abzusichern. Dieses
Problem ist dann besonders evident, wenn alternative Treatments miteinander verglichen werden und
wenn auch für das Alternativtreatment eine Wirkung angenommen werden kann. Dann wird mit den
Signifikanztests nur die zusätzliche Wirkung gegenüber dem alternativen Treatment geprüft. Hier
könnte schon ein kleiner Effekt von Interesse sein, er kann auf diese Weise aber nicht gesichert
werden.
Die eigentliche Stärke der quantitativen Metaanalyse besteht darin, durch Zusammenfassung von
Einzelstudien die statistische Power zu erhöhen und dadurch den Therapieerfolg möglich genau zu
schätzen. Im nächsten Schritt können dann Methoden- und Stichprobenvariablen mit den
Effektstärken korreliert werden. Dadurch kann geprüft werden, ob diese Merkmale die Variabilität
der Ergebnisse erklären können. Dies ist beim «vote counting» nicht möglich, und auch die Methode
von Miller und Wilbourne (2002) kann dieses Problem nicht lösen. So geht bei Miller und Wilbourne
beispielsweise die Katamnesedauer zunächst in den Methodenscore ein und dann in den
Evidenzscore. Trotzdem kann dieses Vorgehen die einfache Frage nicht beantworten, ob die
Katamnesedauer mit dem Therapieerfolg korreliert ist und wie demnach die Langzeiteffekte der
verschiedenen Therapien zu bewerten sind.
Das Projekt MATCH

Das Projekt MATCH (u.a. Project MATCH research group, 1997a, 1997b, 1998a, 1998b) gilt als
Meilenstein der empirischen Wirksamkeitsforschung im Bereich der Alkoholismusbehandlung. Dies
deshalb, weil in diesem Projekt mit einer beispielhaft konzipierten Studie versucht wurde,
differentielle Therapieindikationsregeln zu prüfen. Nicht die Überlegenheit einer Behandlungsart,
sondern die optimale Zuweisung von homogenen Patientengruppen zu den verschiedenen Treatments
stand im Zentrum. Hierzu wurden 21 «a priori»-Hypothesen aufgestellt. Geprüft wurde die
Wirksamkeit von drei Behandlungsformen bei zwei unabhängigen Bedingungen.
Die drei Behandlungskonzepte waren: (1) «Cognitive Behavioral Coping Skill Therapy» (CBT –
Kognitive Verhaltenstherapie); 12 Sitzungen. (2) «Motivational Enhancement Therapy» (MET –
Motivationstraining). Das Training basiert auf motivationspsychologischen Theorien und möchte die
internale Motivation zur Veränderung fördern; 4 Sitzungen. (3) «Twelve-Step Faciliation Therapy”
(TSF). Dieser Ansatz basiert auf dem 12-Schritte- Programm der Anonymen Alkoholiker. Die
Patienten wurden vorbereitet und motiviert, an Treffen der Anonymen Alkoholiker teilzunehmen; 12
Sitzungen. Die beiden Bedingungen lauteten: (1) «Aftercare»; Nachsorgebehandlung nach intensiver
Behandlung in einer Tagesklinik oder nach einer mindestens siebentägigen stationären Behandlung.
(2) Outpatient; Ausschliesslich ambulante Behandlung, teilweise mit vorheriger Entgiftung.

Alle Treatments wurden als Einzeltherapien durchgeführt. Die Sitzungen waren gleichmässig über
eine Zeitspanne von zwölf Wochen verteilt. Als Therapieziel wurde den Patienten gegenüber in allen
Treatments dauerhafte Abstinenz angegeben.

Ein-/Ausschlusskriterien


Einschlusskriterium war eine gesicherte Diagnose von Alkoholabhängigkeit oder Missbrauch nach
DSM-III-R und eine anhaltende Trinkperiode von mindestens drei Monaten. Ausschlusskriterien
waren Mehrfachabhängigkeit, ernsthafte organische oder psychotische Beeinträchtigungen, Selbst-
oder Fremdgefährdungsrisiko, keine Bezugsperson, kein fester Wohnsitz und eine weitere
Behandlung. Es handelt sich also um eine positiv ausgelesene Stichprobe.
Methoden


Die Zuweisung zu den drei Behandlungsformen erfolgte per Zufall, die Zuweisung zu den beiden
Behandlungsbedingungen nicht. Alle Treatments wurden durch Manuale genau beschrieben. Die
insgesamt 80 Therapeuten und Therapeutinnen wurden in der Durchführung trainiert und
supervidiert, und die Treatmentintegrität (Treatmentvalidität) durch Videoaufnahmen geprüft. Alle
Therapeuten und Therapeutinnen arbeiteten nur mit einer Methode, in der sie zudem Vorerfahrungen
hatten. Katamnestische Befragungen von Teilnehmern und Angehörigen wurden nach 3, 6, 9, 12 und
38 Monaten durchgeführt. Drogen- und Alkoholkonsum wurden zusätzlich durch Urin- und
Blutproben kontrolliert. Die Datenausschöpfungsquoten der Katamnesen waren mit jeweils
mindestens 85% ungewöhnlich hoch. Die Langzeitkamnese von 38 Monaten wurde nur bei einer
Teilstichprobe durchgeführt. Deutlich geringer fiel im Vergleich dazu die Compliance der Patienten
aus. Nur 68,2% (outpatient) bzw. 65,7% (aftercare) aller vereinbarten Termine konnten durchgeführt
werden. Am niedrigsten war die Quote bei TSF, am höchsten bei MET.
Stichprobenbeschreibung


Mit 4481 Personen wurden Aufnahmegespräche geführt, 2185 Personen erfüllten die
Einschlusskriterien. Hiervon erklärten sich 1726 Personen zur Teilnahme bereit, 459 (21%) lehnten
ab. Die Teilnehmer waren zu 80% Männer und zu 80% Weisse, rund die Hälfte davon hatten einen
Arbeitsplatz. Insgesamt 45% (outpatient) bzw. 62% (aftercare) aller Patienten und Patientinnen
hatten zuvor wegen des Alkoholproblems an einer anderen Behandlung teilgenommen. Als
alkoholabhängig nach DSM-III-R wurden 95% (aftercare) bzw. 98% (outpatient) der Stichprobe
diagnostiziert. Mit Ausnahme der Diagnose lassen auch diese Angaben eine positiv ausgelesene
Stichprobe erkennen.
Generelle Wirksamkeit

Im ersten Jahr nach der Behandlung waren 35% in der «aftercare»- und 19% in der «outpatient»-Bedingung dauerhaft abstinent. Weitere 25% in der «aftercare»- sowie 35% in der «oupatient»-Bedingung berichteten über Rückfälle, die aber als nicht schwer eingestuft wurden. Die 3-Jahres-Katamnese wurde nur bei der «outpatient»-Stichprobe durchgeführt. Angaben lagen von 806 Patienten vor. Gefragt wurde nach dem Alkoholkonsum in den letzten drei Monaten (Monat 37 bis 39). Insgesamt 237 Patienten und Patientinnen (29,4%) waren in diesem Zeitfenster durchgehend abstinent. Bezogen auf die Ausgangsstichprobe aller Patienten und Patientinnen, welche die Therapie
begonnen haben (N = 952) betrug die Abstinenzrate somit 24,9%. Die 802 Personen waren im
Betrachtungszeitraum im Durchschnitt (Median) an 86% aller Tage abstinent, im Vergleich zu 28%
bei der Baseline-Messung drei Jahre zuvor. Der Alkoholkonsum nahm im Mittel (Median) von 11,5
Drinks (Baseline) auf 4,2 Drinks ab.

Differentielle Wirksamkeit


In der 1-Jahres-Katamnese ergab sich kein bedeutsamer Unterschied zwischen den drei Treatments.
In der 3-Jahres-Katamnese war die Abstinenzrate in der TSF-Bedingung mit 36% am höchsten,
gefolgt von MET (27%) und CBT (24%). Der Unterschied zwischen TSF und den beiden anderen
Therapiekonzepten war hochsignifikant. Dieses Ergebnis ist eine Überraschung und steht im
Widerspruch zu den Befunden der Literaturübersichten und Metaanalysen.
Matching Effekte


Enttäuschend waren die Ergebnisse bezüglich der aufgestellten differentiellen Hypothesen. Keine
einzige der prognostizierten Hypothesen konnte konsistent empirisch bestätigt werden. In der 1-
Jahres-Katamnese konnte für die «outpatient»-Stichprobe ein Interaktionseffekt festgestellt werden.
Patienten mit wenigen psychiatrischen Auffälligkeiten waren nach der Teilnahme an der 12-Step-
AA-Bedingung häufiger abstinent als nach der Teilnahme an CBT.

Moderatorvariablen


Der Alkoholkonsum bei der ersten Erhebung (Baseline) war ein signifikanter Prädiktor für den
Alkoholkonsum in der 3-Jahreskatamnese (Effektstärke = 7,8%) und, allerdings schwächer, auch für
die Abstinenz (Effektstärke = 0,8%). Wer vorher weniger konsumierte, trank auch drei Jahre später
weniger.

Zusammenfassende Diskussion

Das methodische Ziel dieser Studie war die Maximierung der internen Validität und damit die
empirische Fundierung der Kausalitätsannahme. Unterschiede in den Kriterien sollten auf
Unterschiede der Behandlungskonzepte zurückgeführt werden können. Die Treatments wurden in
Manualen präzise beschrieben, und es wurde kontrolliert, dass nur das gemacht wurde, was zulässig
war. So konnte sichergestellt werden, dass sich die Behandlungsprogramme nicht nur durch die
Labels unterschieden haben. Sie waren durch technologische Regeln fundiert, wie dies Perrez (1998)
sowie Patry und Perrez (1982) gefordert hatten. Die Behandlungsintegrität (Kazdin, 1994) und damit
die Validität der Treatments (Cook und Campbell, 1976; Shadish, Cook und Campbell, 2002) wurde
geprüft und konnte gesichert werden. Insofern handelt es sich um eine beispielhafte Untersuchung,
die auch kritische Kommentare von Westmeyer (1992), der differentielle Psychotherapieforschung
nur als «haltlose Illusion» bezeichnet hat, zurückweisen kann. Trotz oder gerade wegen dieser
positiven Merkmale sind die Ergebnisse ernüchternd. Die generellen Wirksamkeitsbelege sind
bescheiden, die differentiellen sind entweder nicht vorhanden oder anders als erwartet, und die
postulierten differentiellen Indikationsregeln konnten nicht empirisch gestützt werden. Die beste
Studie mit dem maximal möglichen Aufwand hat wahlweise entweder gar keine brauchbaren
Ergebnisse erbracht, oder die «falschen», von den Hinweisen auf die generelle Wirksamkeit der
Therapie einmal abgesehen.
Welche Schlussfolgerungen können daraus für die Alkoholismusbehandlung gezogen werden? Die
Grenzen dieser Studie liegen in der Wahl der evaluierten Treatments und in der Behandlungsdosis,
wie auch Watzl (2001) bemerkt. Zwölf Sitzungen, je eine pro Woche, von denen im Durchschnitt nur
acht tatsächlich abgehalten wurden, sind kein Massstab für das, was in der Alkoholismustherapie
gemacht wird. Bei dem enormen Aufwand dieser Untersuchung wurde offensichtlich am
allerwenigsten in die Treatments investiert. Insofern können die geringen Erfolgsraten nur wenig
verwundern, und sie können auch nicht als Masszahlen gelten für das, was möglich ist. Es ist
bedauerlich, dass die Chance, die diese Studie gab, nicht besser genutzt wurde. Unverständlich ist
auch die Wahl der Treatments. Der eigentliche Nutzen dieser Studie besteht m.E. darin, dass sie
Auskunft darüber gibt, was mit wenig, aber gut strukturiertem therapeutischem Aufwand bei
Patienten mit günstigen Ausgangsmerkmalen möglich ist. Gegenüber diesen Ergebnissen müssen
sich andere, aufwendigere Treatments bewähren. Unklar sind auch die Effekte der vorangegangenen
Behandlungen. Zudem ergeben sich Einschränkungen hinsichtlich der Generalisierbarkeit durch die
Freiwilligkeit der Teilnahme. Beides lässt vermuten, dass die erzielten Effekte im Vergleich zu
klinischen Stichproben zu hoch sind.
Vor diesem Hintergrund muss die obige Literaturzusammenfassung nicht neu geschrieben werden.
Die Literaturübersicht stützt die Wirksamkeit psychosozialer Therapien, wenngleich viele Fragen
nach wie vor nicht präzise beantwortet werden können. Um in Zukunft verlässlichere Aussagen
machen zu können ist es notwendig, Forschung so zu koordinieren, dass ein akkumulierter
Erkenntnisfortschritt möglich wird. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist die Standardisierung der
Forschungsmethodik, aber auch eine präzisere Beschreibung der Behandlungsmassnahmen durch
technologische Regeln (Perrez, 1998; Patry & Perrez, 1982). Hierbei wurde im Projekt MATCH
beispielhafte Arbeit geleistet.
Summary

On the differential effectiveness of psychosocial treatment measures for alcohol addicts
A critical comparison of the methods from systematic literature reviews and meta-analyses

The effectiveness of alcohol addiction treatments was the subject of a couple of systematic reviews and meta-analyses in
the last ten years. This paper gives a comparative overview of the main results and the different methods used. The aim is
to review the empirical evidence of (a) the general and (b) the differential effectiveness of alcoholism treatments, and of
(c) the matching rules of subjects to a specific treatment. Main differences between the reviews concern the selection
criteria of the studies included. Some reviews included only controlled studies that used a procedure designed to get
equivalent groups at the beginning, but none of these was done in the German speaking countries. Moreover, the
treatments used in the controlled studies from anglosaxon countries are different from the typical treatments in Germany
(treatment length, intensity), and patients with unfavourable characteristics are mostly excluded from these studies.
Therefore, the generalztability of the controlled studies is limited. On the other hand, the validity of studies without a
control group design is weaker. Putting all together, some tentative conclusions can be done: (1) Limited treatment (self-
help manual, few sessions, outpatient setting) yields the same effect as more extensive treatments for persons with
moderate or low dependence and few psychosocial problems. (2) Specific treatment (treatments with a clear structure and
well defined interventions, in particular all kinds of behavioural skill training and case management) has favourable
effects on alcohol dependent subjects in comparison to standard treatment (supportive counseling in combination with
social work intervention). (3) More intensive and specific treatment (number of components, length of treatment,
inpatient setting) has favourable effects on subjects with heavy alcohol dependence, psychiatric comorbidity and a big
number of psychosocial problems. (4) The application of Naltrexone/Nalfeme has favourable effects in addition to
behavioural treatments.

Résumé


A propos de l’efficacité différentielle des mesures thérapeutiques psychosociales appliquées aux personnes
alcoolodépendantes:
Une comparaison critique des méthodes à partir d’une revue bibliographique systématique et de méta-analyses

L’efficacité des traitements de l’alcoolodépendance a fait l’objet d’une série de revues bibliographiques et de méta-
analyses au cours de ces dix dernières années. Le présent article propose une comparaison entre les résultats issus de ces
travaux et les méthodes mises en œuvre. Sont répertoriés les résultats concernant (a) l’efficacité générale, (b) l’efficacité
différentielle et (c) l’indication différentielle. Les différences entre les méta-analyses concernent l’étendue de la
recherche bibliographique et les critères méthodologiques et cliniques d’inclusion ou d’exclusion. Certains travaux n’ont
pris en considération que des études contrôlées, alors que d’autres ont également inclu des études sans groupes de
contrôle. Les études contrôlées provenaient presque toutes de l’espace anglo-américain et aucune d’un pays de langue
allemande. Les programmes thérapeutiques sur lesquels portent les études contrôlées se différencient notablement, quant
à la durée et à l’intensité nettement supérieures des mesures thérapeutiques par rapport à celles qui sont proposées en
Allemagne. De plus, de nombreuses études ne prennent pas seulement en compte des patient-es diagnostiqués comme
dépendants, mais aussi des patient-es diagnostiqués comme consommateurs abusifs et des échantillons de patient-es non
diagnostiqués. En conséquence, il n’est pas possible de généraliser ces résultats en les appliquant à l’Allemagne. A
l’inverse, il convient de tenir compte du fait que les études non contrôlées surestiment l’efficacité des mesures
thérapeutiques. En résumé, on peut proposer les conclusions suivantes: (1) Les personnes ne présentant pas des
symptômes évidents de dépendance et peu de problèmes psychosociaux peuvent être traitées de manière tout aussi
efficace au moyen de quelques séances (ambulatoires) peu intensives qu’au moyen de mesures thérapeutiques
(résidentielles) lourdes et intensives. (2) Les traitements structurés poursuivant des finalités clairement définies, en
particulier les interventions d’orientation comportementaliste (skill trainings, gestion de cas), produisent de meilleurs
résultats que des mesures standard peu structurées. (3) Une thérapie intensive et bien structurée (nombre d’éléments
faisant partie du traitement, durée, traitement résidentiel) produit de meilleurs résultats pour les patient-es présentant des
symptômes graves de dépendance, une comorbidité psychiatrique et de nombreux problèmes psychosociaux. (4)
L’administration supervisée de naltrexone/nalfeme accroît l’efficacité des mesures relevant de la thérapie
comportementale.
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Monahan & Finney (1996)
Berglund et al. (2003)*
Miller & Wilbourne (2002)*
Datenbasis
Recherchezeitraum
Methodische
Aufnahmekriterien
Katamnesedauer
Sonstige
Klinische
Aufnahmekriterien
Diagnose

Studien (Gruppen)

Bewertung
Katamnesedauer
Therapiedauer
(Wochen)
Generelle Wirksamkeit
Abstinenzraten
Besserung
Effektstärke
Differentielle
Wirksamkeit
Treatmentvergleich
Intensität / Dauer
Ambulant vs.
stationär
Behandlungsziel
Abstinenz

Moderatoren des
Behandlungserfolgs
Patientenmerkmale Soziale Stabilität
Katamnesedauer
Studienqualität

Korrespondenzadresse
Heinz-Martin Süß, Inst. f. Psychologie, Otto-von-Guericke-Universität, Postfach 42
DE-39016 Magdeburg, Em

Source: http://www.ispa.ch/DocUpload/suess_03_04.pdf

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