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Kindergesicherte Verpackungen für Arzneimittel
Anordnung einer Auflage nach § 28 Arzneimittelgesetz vom 17. September 1984
(BAnz Nr. 178 vom 20. September 1984, S. 10683)
Die Zulassung für Fertigarzneimittel nach Position 1, die einen oder mehrere Stoffe nach denPositionen 2, 3, 4 oder 5 enthalten, wird mit der Auflage verbunden, daß sie ab 1. Januar 1986 nurnoch in Behältnissen nach Position 6 in Verkehr gebracht werden dürfen.
Position 1:
Zur Anwendung am Menschen bestimmte Fertigarzneimittel nach 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes
vom 24. August 1976 (BGBI. I, S. 244 5) - AMG - in Darreichungsformen zur oralen Verabreichung,
ausgenommen
Arzneimittel mit Brauseeffekt (Brausetabletten. Brausegranulat usw.), Anstaltspackungen (Klinikpackungen). die nicht im Einzelhandel in den Verkehr gebrachtwerden, Heilwässer und die daraus gewonnenen Salze, Arzneimittel, die einen oder mehrere der aufgeführten Stoffe lediglich in homöopathischenVerdünnungen enthalten, Arzneimittel nach Position 5, die bei festen Darreichungsformen in einer Einzeldosis wenigerals 10 mg Eisen und bei flüssigen Darreichungsformen weniger als 1 mg Eisen pro mlenthalten, sofern die in der Packung enthaltene Gesamtmenge an Eisen 200 mg nichtüberschreitet, Arzneimittel nach Position 5, die Eisen (III)-hexacyanoferrat (II) sowie Farbstoff E 172 derArzneimittelfarbstoffverordnung enthalten.
Position 2:
-
4,5µ-Epoxy-3-methoxy-17-methyl-6-morphinen-6-yl-acetat (Thebacon) (+)-3-Methoxy-17-methylmorphinan (Dextromethorphan) (+)-3-Methyl-4-morpholino-2,2-diphenyl-1-(1-pyrrolidinyl)butanon (Dextromoramid) Salze und Molekülverbindungen der genannten Stoffe Salze, freie Säuren/Basen und Molekülverbindungen der in der Anordnung vom 18. April1979 (BAnz. Nr. 81 vom 28. April 1979) aufgeführten Substanzen, soweit nicht in denAnordnungen einer Auflage vom 18. April 1979 (BAnz. Nr. 81 vom 28. April 1979) und vom12. Februar 1982 (BANZ. Nr. 36 vom 23. Februar 1982) enthalten.
Position 3:
-
1,2,3,4,10,14b-Hexahydro-2-methyldibenzo(c,f)pyrazino(1,2-a)azepin (Mianserin) Salze und Molekülverbindungen der genannten Stoffe Position 4:
-
Salze und Molekülverbindungen der genannten Stoffe Position 5:
Eisen in der Form von Fe(II)- oder Fe(III)-Verbindungen
Position 6:
a)
Durchdrückpackungen (Blisterpackungen) mit Einzeldosisabpackungen unter ausschließlicher Verwendung von undurchsichtigem oder dunkel eingefärbtem Material,oderb) Siegelstreifen-Packungen mit Einzeldosisabpackungen unter ausschließlicher Verwendung von undurchsichtigem oder dunkel eingefärbtem Material, Behältnis mit Sicherheitsverschlüssen (sog. Trick- oder Patentverschlüsse), die das Öffnen Bei Arzneimitteln in Form abgeteilter Pulver oder Granulate reichen Portionsbriefe oder Bei flüssigen Darreichungsformen reichen Behältnisse mit Tropfeinsätzen, die durch Kinder nicht ohne Zerstörung des Behältnisses entfernt werden können, aus. Nach Öffnen und einmaligemSchütteln, Drücken oder sonstigem Hantieren dürfen nicht mehr als 0,5 ml Flüssigkeit, soweit es sichum tropfenweise einzunehmende Arzneimittel handelt, im übrigen nicht mehr als 2 ml Flüssigkeitausfließen.
Die unter a, b, und c genannten Behältnisse müssen der DIN-Norm 55559 entsprechen.
Begründung:
Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist § 28 Abs. 2 Nr. 5 AMG. Diese Regelung findet auf
Arzneimittel Anwendung, die nach dem AMG zugelassen sind oder die nach Art. 3 § 7 AMNG als
zugelassen gelten (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Anm. 2 zu Art. 3 § 7 Abs. 1 AMNG). Nach
dieser Vorschrift können Auflagen angeordnet werden, um sicherzustellen, daß ein Arzneimittel in
einem Behältnis mit bestimmter Form, bestimmtem Verschluß oder sonstiger Sicherheitsvorkehrung
in Verkehr gebracht wird, soweit es geboten ist, um die Gefahr des Mißbrauchs durch Kinder zu
verhüten. Bei den von der Anordnung betroffenen Arzneimitteln ist die Verwendung einer der
angegebenen kindergesicherten Packungsarten zur Verhütung eines Mißbrauchs der Mittel durch
Kinder geboten.
Bei mißbräuchlicher Anwendung der Arzneimittel, die die in Pos. 2 aufgeführten Stoffe enthalten,besteht eine erhöhte Vergiftungsgefahr für Kleinkinder, der anders als durch die Verwendungkindergesicherter Verpackungen nicht wirksam begegnet werden kann. Es handelt sich hierbei umAnalgetika sowie Antitussiva, die überwiegend in Wirkung und Struktur dem Morphin verwandt sind.
Die gravierendste Wirkung dieser Stoffe bei der Aufnahme überhöhter Dosen ist die Dämpfung desAtemzentrums bis hin zum Atemstillstand. Anoxie-bedingte Spätschäden sind bekannt.
Dextromethorphan ist hinsichtlich seiner Toxizität dem Codein vergleichbar (B. Pellmont, H.
Bächtold, Schweizer Med. Wochenschrift, 34, 1368 (1954)). Die letale Dosis für Kinder wird aufeinen Wert unter 100 mg geschätzt (R. Dreisbach, Handbook of Poisoning, Lange MedicalPublications, California (1977)).
Die Gefahren der mißbräuchlichen Verwendung von Arzneimitteln, die die in Pos. 3 aufgeführteiiStoffe enthalten, rechtfertigen ebenfalls eine Anordnung kindergesicherter Verpackungen. DieseStoffe werden zur Behandlung depressiver Zustände und zur Veränderung des Antriebsniveausverwendet. Bei Aufnahme überhöhter Dosen kommt es innerhalb der ersten 6 Stunden zu Koma undKrämpfen, Herzrhythmusstörungen treten innerhalb von 1-5 Tagen auf, ein erstmaliger Herz- oderAtemstillstand innerhalb von 2 Tagen. Die besondere Gefährdung von Kleinkindern durch dieseSubstanzgruppe ist in der medizinischen Wissenschaft bekannt und durch zahlreiche wissenschaftlicheVeröffentlichungen belegt (z. B. Somaini, B.: Dissertation, Zürich 1974; Monoguerra, A. S., Weaver,L. C.: Klin. Toxikol. 10, 1949 (1977); Moir, D. C.: Lancet II, 561 (1972)).
Lithiumsalze werden ebenso zur Behandlung von Depressionen verwendet. Bei Überdosierung bestehtdie Gefahr, daß Lithiumionen das Gleichgewicht zwischen Natrium und Kalium stören. Symptomeeiner akuten Vergiftung sind Tremor, Muskelzuckungen, Apathie, Verwirrtheit, schließlich Koma undExitus (Gerdes, H.: Internist 19, 2252 (1978); Corcoran, A. C., et al.: J. Amer. Med. Ass. 139, 687(1949)).
Die in Pos. 4 aufgeführten Stoffe werden überwiegend als Sedativa bzw. Hypnotika verwendet.
Bromide verdrängen im Körper weitgehend Chloride aus dem Plasma sowie den Zellen. DieVergiftungserscheinungen sind auf eine direkte Giftwirkung des Broms auf die Zellen zurückzuführen(Hanes, F. M., Yates, A.: Sth. Med. J. 31, 667 (1938); Bodansky, 0., Modell, W.: J. Pharmacol. Exp.
Ther. 73, 51 (1941); Perkins, H. A.: Arch. Intern. Med. 85, 783 (1950). Daraus folgen als Symptomeeiner akuten Überdosierung eine geistige Verwirrung, verbunden mit Übelkeit, Erbrechen,Leibschmerzen und Koma.
Vergiftungen mit Eisenpräparaten (Pos. 5) sind in der medizinischen Wissenschaft bekannt und durchzahlreiche Veröffentlichungen im In- und Ausland belegt (z. B. Gädeke, R.: Klin. Pädiatr., 191, 442(1979); Birk, R. E. et al.: J. Pädiat. 45, 164 (1954); Fairbanks, V. F. et al.: C!inical Disorders of IronMetabolism, Second Ed. Grune & Stratten, New York (1971); Bothwell, T. H. et al.: Iron Metabolismin Man, Blackwell Scientific Publications, Oxford (1979)). Die Symptome einer akutenEisenvergiftung sind durch zwei Phasen charakterisiert. In der ersten Phase (30-120 Minuten nach derEinnahme) kommt es zu heftigem Erbrechen, verbunden mit starken Magenschmerzen und Durchfall.
Dann entwickelt sich ein schwerer Schock, Die Letalität dieser ersten Phase liegt bei ca. 25%. In denübrigen Fällen erholt sich der Patient wieder, und in der zweiten Phase (nach ca. 20 Stunden) kommtes zu einem plötzlichen Kollaps, anschließend treten Konvulsionen mit Azidose und eventuell einetoxische Hepatitis auf. Es wird davon ausgegangen, daß eine Eisenvergiftung über 2 Wege wirkt: 1.
führt das Eisen lokal zu einer schweren Korrosion des Magen-Darm-Traktes, 2. führt das im Übermaßresorbierte ionisierte Eisen wahrscheinlich über einen enzymblockierenden Effekt zu schwerenSchädigungen im Nervensystem und in der Leber (Witzleben, C. L.: Arch. Path. 82, 454 (1966);Editorial: J. Amer. Med. Ass. 198, 1303 (1966); Möschlin, S.: New Engl. J. M3d. 269, 57 (1963)).
Die Festlegung der Grenzdosis auf 200 mg pro Packung bzw. 10 mg pro Einzeldosis/1 mg pro mlberuht auf der Tatsache, daß in der Literatur die letalen Dosen für Kleinkinder mit Werten um 1 gangegeben werden (Hoppe, J. O. et al.: Amer. J. Med. Sci. 230, 491 (1955); Cernec, M. et al.: Acta Hämatol. 40, 90 (1968)) Da die Dosis, bei der Vergiftungssymptome zu erwarten sind, erheblichniedriger liegt, werden die angegebenen Werte unter Einbeziehung eines Sicherheitsfaktors fürerforderlich gehalten.
Diese Anordnung ist auch für Eisen(III)-Verbindungen erforderlich., da diese ebenfalls sehr starkätzend wirken und tödliche Vergiftungen beschrieben sind (Möschlin, S.: Klinik und Therapie derVergiftungen, 6. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart; Gädecke, R.: Klin. Pädiatr., 191, 442 (1979)).
Erforderlich ist diese Anordnung ebenfalls für Arzneimittel, die Eisen(III)-hydroxid-polymaltose-Komplex enthalten. Obwohl ihre Toxizität geringer ist als die der ionisierten Eisenverbindungen undim Tierversuch keine lokalen Schädigungen beobachtet wurden, besteht ein Vergiftungsrisiko. Beiakzidenteller Einnahme können erhebliche Mengen des Eisens vom Körper resorbiert werden. so daßdie Gefahr von Gesundheitsschäden durch seine systemischen Wirkungen besteht.
Kontrazeptiva, die Eisenverbindung enthalten, sind ebenfalls von der Anordnung nicht auszunehmen,sofern sie die angegebene Mengenbegrenzung überschreiten. Das Vorliegen bestimmterKombinationspartner bzw. bestimmter Verpackungsformen (Kalenderpackungen) ist für dastoxikologische Gesamtrisiko bei den vorliegenden Daten unerheblich.
Zur Erleichterung der Feststellung, welche Verpackungen den in der Anordnung bestimmtenAnforderungen entsprechen, veröffenlicht das Bundesgesundheitsamt laufend diejenigen Verpackungen, die ihm nach sachverständiger Prüfung als der DIN-Norm 55559 (bzw. derdiesbezüglichen Vornorm oder dem Norm-Entwurf) entsprechend angezeigt werden(Bekanntmachung vom 15. Juli 1980 (BAnz. Nr. 147 vom 12. August 1980), 1. Ergänzung vom 19.
Dezember 1980 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 1981), 2. Ergänzung vom 28. Juni 1981 (BAnz. Nr. 117vom 1. Juli 1981), 3. Ergänzung vorn 26. August 1981 (BAnz. Nr. 163 vom 3. September 1981), 4.
Ergänzung vom 17. November 1981 (BAnz. Nr. 222 vom 27. November 1981), 5. Ergänzung vom 23.
Januar 1982 (BAnz. Nr. 24 vom 4. Februar 1982), 6. Ergänzung vom 13. April 1982 (BAnz. Nr. 74vom 21. April 1982), 7. Ergänzung vom 7. Oktober 1982 (BAnz. Nr. 194 vom 16. Oktober 1982), 8.
Ergänzung vom 14. Februar 1983 (BAnz. Nr. 36 vom 22. Februar 1983)).
Zur Rechtmäßigkeit der vorliegenden Anordnung wird im übrigen auf das Urteil desVerwaltungsgerichts Berlin vom 1. Februar 1982 (Pharmarecht 1983, S. 73 ff, 139) verwiesen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Anordnung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt
werden. Der Widerspruch ist beim Bundesgesundheitsamt, Thielallee 88-92, Postfach 330013, 1000
Berlin 33, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift einzulegen.
Berlin, den 17. September 1984Bundesgesundheitsamtim AuftragProf. Dr. B. Schnieders

Source: http://child-safe.info/modules/fck/usr/File/amg-auflage-1984.pdf

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